Der Meridian Celan podium
22 NOVEMBER 2010 16:30

Der Meridian Celan

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Im 19. Jahrhundert hatte die Donaumonarchie im rumänischen Raum eine deutlich sichtbare Präsenz. Vielsagend über den diplomatischen Standort Bukarest ist die Tatsache, dass zwischen 1895 und 1918, drei der Außenminister in Wien (Agenor Gołuchowski der Jüngere, Aloys Aehrenthal und Ottokar Czernin) im Vorfeld in Bukarest diplomatisch tätig waren. Heuer, als sich die diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik Österreich und Rumänien zum 90. Mal jähren, laden die Botschaft von Rumänien und das Rumänische Kulturinstitut in Wien für den 22. November unter dem Titel Der Meridian Celan zu einer Sonderveranstaltung ein, die ausgehend von der verbindenden Figur von Paul Celan (der vor 90 Jahren an diesem Tag in Czernowitz geboren wurde) das gemeinsame (zentral)europäische kulturelle Bewusstsein Österreichs und Rumäniens in den Vordergrund stellt.

Als Celan 1948 in Wien seinen ersten Lyrikband Sand aus den Urnen veröffentlichte, hatte er bereits einen langen Weg hinter sich: aus Czernowitz, wo er 1920 als Paul Antschel geboren wurde, über Bukarest, wo er von 1945 bis 1947 lebte und arbeitete, in die österreichische Hauptstadt. Sein Debüt fand aber eigentlich 1947 in der Bukarester Zeitschrift Contemporanul statt, und zwar mit der Veröffentlichung der rumänischen Fassung eines Gedicht ,welches noch gar nicht in seiner deutschsprachigen Originalfassung bekannt war: Todesfuge/ Tangoul morţii – sein erstes Gedicht unter dem Namen Paul Celan, dem Anagramm seines rumänisch geschriebenen Namens (Paul Ancel).
Als er in Wien ankam, lag hinter ihm die Auslöschung seiner Herkunft. Das zentraleuropäisch multikulturelle Czernowitz war durch Krieg und Holocaust zerstört. Das Trauma der Vernichtung hat Celan nie mehr losgelassen.

Und doch bleibt die Lektion von Czernowitz heutzutage für die Multikulturalität der erweiterten EU und den Umgang untereinander innerhalb dieser relevant. Einer der Diskutanten des Abends, Dr. Martin Hainz, formuliert sie folgendermaßen: „Kultur ist nicht das, was ein kultivierter Mensch hat, sondern das, woran er arbeitet. Das lehrt Czernowitz seine Bewohner. […]Czernowitz war die Gleichzeitigkeit des möglichen Eintauchens in andere Idiome und der Fremdheit in diesen. Wir haben in Czernowitz einen zu erlernenden Reichtum [für] ein Europa, das nicht einfältig Kulturen nebeneinanderstellt, sondern sich aus der Gemeinsamkeit definiert, die Differenz als Kapital zu sehen, solange diese Differenz mit dem Gegenüber besprochen wird.“

Abgeschlossen wird der Abend von dem Konzert des rumänischen Ausnahmemusikers Mircea Tiberian: 4 Nachspiele auf die Todesfuge. 4 Jazz-Variationen ausgehend von der deutschen, englischen, französischen und rumänischen Fassung der Celanschen Todesfuge.

Programm:

Einlass: 17:15 Uhr
Beginn: 17: 30 Uhr

Begrüßung:
I.E. Silvia Davidoiu, Botschafterin von Rumänien
Bot. Dr. iur. Martin Eichtinger, Sektionsleiter der Kulturpolitischen Sektion des Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten

Kurzvortrag:
Dr. Adrian Severin, EU-Abgeordneter, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament

Podiumsdiskussion: Der frühe Celan
Dr. Martin A. Hainz (AT), Dr. Horaţiu G. Decuble (RO)

Pause: 20 min

Konzert:
Vier Nachspiele auf die Todesfuge – das Mircea Tiberian Quintett präsentiert 4 Jazz-Variationen ausgehend von der deutschen, englischen, französischen und rumänischen Fassung der Celanschen Todesfuge.

Anschliessend laden wir zum Cocktail im Foyer des Radiokulturhauses, Argentinierstr. 30a, 1040 Wien ein.

Eintritt frei.